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Bericht

Donnerstag, 04.04.2019

Bericht über das internationale Kolloquium zur antiken Skulptur in Graz, „Hergestellt und aufgestellt“[1]

Alice Landskron und Thoralf Schröder

Vom 25.–27. Februar 2019 fand im Meerscheinschlössl in Graz das internationale Kolloquium „Hergestellt und aufgestellt. Produktionsdynamiken und Kontexte römischer Skulpturen im antiken Mittelmeerraum“ statt. Diese Tagung wurde gemeinsam von Alice Landskron (Universität Graz) und Thoralf Schröder (Universität zu Köln/Forschungsarchiv für Antike Plastik) organisiert.

Antike Skulpturen sind seit den Anfängen der archäologischen Wissenschaft ein zentraler Bestandteil der Forschung. Im Laufe der Zeit sind dabei unterschiedliche Fragestellungen in den Blick genommen worden. Aktuell stellt man verstärkt Fragen zur Herstellung, zur Verbreitung und zu den Kontexten griechischer und römischer Porträtplastik und Idealskulpturen. Diese Aspekte standen im Zentrum der durchgeführten Tagung. Mehr als 30 Vortragende aus zehn Ländern kamen zusammen, um über diesen Themenkomplex zu diskutieren.

In der ersten Sektion Steinbrüche, Handel und Transport sind allgemeine logistische Überlegungen und kleinräumige Analysen von Steinbrüchen vorgenommen worden. Ferner wurden Skulpturen in antiken Schiffswracks vor dem Hintergrund des römischen Handelsnetzwerkes untersucht.

In der zweiten Sektion Werkspuren, Werkprozesse und Werkstattfragen sind dann konkrete objektorientierte Analysen zu römischen Skulpturen vorgestellt worden. Schwerpunktmäßig wurden Skulpturen aus Ephesos und allgemein dem südwestlichen Kleinasien untersucht, daneben aber auch Artefakte beispielsweise aus Ägypten und dem Balkanraum.

In der dritten Sektion Skulpturenlandschaften: Osten wurden dann die Aufstellungskontexte römischer Skulpturen im östlichen Mittelmeerraum in den Blick genommen. Dabei zeigte sich einmal mehr, wie vielfältig und divers die Präsentation von Skulpturen in unterschiedlichen Räumen sein konnte.

In der letzten Sektion Skulpturenlandschaften: Westen sind dann vergleichbare Untersuchungen für den westlichen Mittelmeerraum vorgenommen worden. Vor allem wurden als Korrelativ Kontexte von Skulpturen in Rom und Umgebung vorgestellt.

Die beiden Hauptthemen der Tagung wurden zudem von zwei Keynotes begleitet. Amanda Claridge (London) sprach über die Produktion von Marmorskulpturen, während Jane Fejfer (Kopenhagen) die Bedeutung des Kontextes für unser Verständnis antiker Skulptur hervorhob.

Zudem wurde ein Posterslam durchgeführt, in welchem in Kurzvorträgen aktuelle Skulpturenprojekte vorgestellt wurden.

Es haben sich in den durch die Vorträge angeregten Diskussionen viele Aspekte ergeben, die eine tiefergehende Analyse verdienen. Einige wenige Punkte sollen hier kurz hervorgehoben werden. So wäre für den Bereich der Herstellung von Steinskulpturen vor allem der Terminus Werkstatt präziser zu definieren. Wahrscheinlich muss man von viel flexibleren Einheiten von wenigen Personen ausgehen, die unterschiedliche Spezialisierungsgrade aufweisen konnten. Selbst in großen Produktionszentren wie Aphrodisias, Rom oder Athen ist es eher wahrscheinlich, dass viele kleinere „Betriebe“ nebeneinander existierten, die innerhalb von Großprojekten natürlich auch gemeinsam arbeiten konnten. Amanda Claridge betont, dass der Handel von Marmor und von Skulpturen in einen größeren Kontext gestellt und unter vielen verschiedenen Aspekten diskutiert und betrachtet werden müsste. Den Auftraggebern kommt dabei eine bedeutende Rolle zu, da sie einen komplexen Prozess in Gang setzen und dadurch ein sehr differenziertes Bild von Skulpturenlandschaften im Osten und Westen des römischen Reiches entsteht.

Ein weiterer Punkt betrifft die „unsichtbaren Statuen“, wie Francesco D’Andria sie treffend bezeichnete, also die Bronzeskulpturen, von denen sich häufig nur die Basen erhalten haben. Um wirklich einen treffenden Eindruck von Skulpturenlandschaften gewinnen zu können, müssen diese heute meist verlorenen Statuen mitgedacht werden. Eine vergleichende Analyse zu den vielfältigen Materialitäten antiker Skulptur in unterschiedlichen Zeithorizonten und Regionen steht noch aus. Ebenso ergänzen und erweitern Inschriften bzw. Ehreninschriften die Vorstellung von Skulpturenlandschaften in antiken Städten, und sollten verstärkt in kontextuellen Forschungen zu Skulpturen berücksichtigt werden. Eindrucksvolle Ergebnisse wurden etwa in Aphrodisias und Perge erzielt und verdeutlichen die kontextuelle Aufarbeitung des Skulpturenmaterials als Desiderat der zukünftigen Forschung, die derzeit beispielsweise in Side durchgeführt wird.

Eine weitere wichtige Rolle spielen dabei auch die Aufstellungsorte von Skulpturen und ebenso das Fehlen von Steinskulpturen im Fundmaterial bedeutender Städte wie z. B. Patara, auf das Havva İşkan Işık hingewiesen hat. Auf die oft stark differierende Quantität und Gewichtung von Skulpturen aus Stein und Bronze sowie Büsten oder überhaupt auf deren Lücken im Befund hat Jane Fejfer aufmerksam gemacht.

Allgemein wurde sehr deutlich, dass gerade die Zusammenschau von vielen Skulpturen aus unterschiedlichen Kontexten zeigt, wie breit und divers das überlieferte Material ist und wie vorsichtig man mit pauschalisierenden Aussagen sein muss, da sich auf lokaler oder mikroregionaler Ebene doch sehr viele Spezifika finden lassen. Die Bedeutung der kontextuellen Skulpturenforschung für das Gesamtbild einer städtischen Gesellschaft ist jedenfalls unbestritten.

Die Organisatoren danken folgenden Personen und Institutionen, die am Gelingen dieser Konferenz beteiligte waren, sehr herzlich, besonders VR Univ.-Prof. Dr. Peter Scherrer, Mag. Sabine Sturmann, Jennifer Semler, Lukas Jung und Valentin Abt.

 

[1] Vgl. A. Landskron – Th. Schröder, „Hergestellt und aufgestellt“. Bericht über das internationale Kolloquium zur antiken Skulptur in Graz, Forum Archaeologiae 90/III/2019 (http://farch.net).

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